Solidaritätserklärung mit Mission Lifeline

Die Mission Lifeline, wie auch alle anderen Nichtregierungsorganisationen, die auf dem Mittelmeer Leben retten, erfüllen die Aufgabe, der die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten nicht oder nur ungenügend nachkommen. Sie retten Menschen aus Seenot – eine Grundfeste des internationalen Rechts. An dieser Grundfeste rüttelt nun auch Bundesinnenminister Horst Seehofer. Dass er befürwortet die „Lifeline“ zu beschlagnahmen und strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten, verkennt den legalen wie legitimen Auftrag, den sich Nichtregierungsorganisationen gegeben haben, die auf dem Mittelmeer retten. Der Bundesinnenminister verkennt diesen Auftrag in vollem Bewusstsein allein aus politischem Kalkül. Er berücksichtigt dabei nicht einmal die Bekundungen mehrerer Bundesländer, Geflüchtete aufzunehmen.
Wir, Dresdner Nichtregierungsorganisationen, die hier vor Ort beraten und Geflüchtete unterstützen, appellieren an die EU-Mitgliedsstaaten, weitere Odysseen von Geflüchteten und Crews von Rettungsschiffen sofort zu beenden! Den Schiffen, die Menschen aus Seenot retten, darf nicht die Einfahrt in irgendeinen Hafen verwehrt bleiben. Das ist eine humanitäre Pflicht, die selbstverständlich durch internationales Recht gedeckt ist.
Immer mehr europäische Regierungen entziehen sich dieser Pflicht, kriminalisieren Seenotrettungsorganisationen und ziehen es wider besseres Wissen vor, Fliehende von einer „Küstenwache“ in Gefangenenlager zurückschicken zu lassen. Wir erklären uns solidarisch mit denen, die an den Außengrenzen Europas ein Minimum an Menschlichkeit bewahren, die ihre humanitäre Pflicht nicht vergessen haben. Denn das, wogegen sie im Mittelmeer ankämpfen, das ist der Verrat aller Prinzipien, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mühsam im Sinne der Freiheit und der Unveräußerlichkeit der Menschenrechte erarbeitet wurden. Die Not, in der sich die Menschen auf der „Lifeline“ befinden, ist nur der derzeitige Höhepunkt einer seit Jahren währenden humanitären Katastrophe. Die europäische Asylpolitik scheiterte bereits weit vor 2015. Anstatt legale Wege der Einreise zu öffnen, anstelle einen fairen Verteil- und Ausgleichmechanismus unter den Mitgliedsstaaten zu implementieren, setzten die Union und die Mitgliedsstaaten auf Abschottung. Das gegenwärtige Seenotdrama auf dem Mittelmeer ist die Konsequenz dieser Politik.
224 fliehende Menschen befanden sich auf dem Boot der Lifeline. Kurz vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschef*innen der Europäischen Union sind die politisch Verantwortlichen auf diesem Kontinent so weit, dass sie selbst Menschen in Seenot zum Spielball der Re-Nationalisierung, der Orbanisierung Europas werden lassen. Die Verwirrung darum, ob nun in Malta angelegt werden dürfe oder nicht, glich einem Trauerspiel. Umso mehr, als dringend benötigte Medikamente, Decken, Trinkwasser und Lebensmittel – so wie sich die Lage von Außen darstellt – nicht zur Genüge vorhanden waren. Dass am Wochenende die benötigten Güter nicht einmal zur „Lifeline“ geliefert werden konnte, weil Malta dies ablehnte, offenbart, wie weit europäische Regierungen inzwischen bereit sind, die Außengrenzen abzuschotten.
War die bisherige EU-Asyl- und Migrationspolitik bereits ein Armutszeugnis, sind die neuerlichen Geschehnisse eine Bankrotterklärung. Wir appellieren, wir rufen, wir hoffen für die Fliehenden auf eine menschenwürdige Aufnahme und wünschen der Crew der „Lifeline“ Kraft und Stärke gegen alle Versuche der Kriminalisierung. Wir hoffen auf eine gemeinsame, europäische Asylpolitik, die einen anderen Weg als den der Isolation geht. Eine Politik, die sich nicht abwendet von den globalen Herausforderungen der Welt. Gerade hier in Dresden wird diese Einstellung häufig verlacht. Doch das Urteil über die Gegenwart wird in der Zukunft gefällt.
Wir rufen den Bundesinnenminister dazu auf, dem Beispiel anderer EU-Mitgliedsstaaten folgend, die Einreise von Geflüchteten der „Lifeline“ in Absprache mit den Bundesländern unverzüglich zu ermöglichen und die Kriminalisierung aller auf dem Mittelmeer rettenden NGOs zu beenden.